C. D. Friedrich im sterbenden Wald
Von Neo-Romantikern sprach man in den 70er Jahren. Gemeint war die Generation der 68er, also just jene kulturellen Kräfte, die in Revolte und Utopie den Ausbruch aus der Enge des zum blanken Materialismus erstarrten Fortschrittswahns suchten. Jene, die den Romantikern fälschlicherweise den gefühlsduseligen Glauben an die heile Welt unterstellen, bleiben solche Vergleiche fremd. In welchem Maße indes die Kunst dieser Generation bis heute im Geist romantischen Denkens und Fühlens wurzelt, dafür bietet Helmut Schweizer mit seinen neuen Fotoarbeiten in der Galerie Magers einen ebenso hervorragenden wie provokanten Beweis. Nicht allein die Tatsache, daß er in seinen großformatigen Schwarz-Weiß-Fotos und den Foto-Übermalungen tatsächlich Motive des bedeutendsten Meisters deutscher Romantik, eben C. D. Friedrichs, zitiert; nein, die grundsätzliche Auseinandersetzung mit romantischem Idealismus auf der Basis gegenwärtiger Erfahrungen öffnet auf subtile Weise Türen in romantische Erlebnisräume. Der figurative, ja erzählerische Anteil in den Arbeiten ist auf einen einfachen Nenner zu bringen. Zu reden wäre von C. D. Friedrichs Menschenfiguren vor dem sterbenden Wald. In den Schwarz-Weiß-Großfotos ist es die durch technische Manipulation erzeugte „Begegnung" bekannter Figuren aus dem Werk des Romantikers mit dem entlaubten, sterbenden Rest dessen, was wir einst als den schönen deutschen Wald besungen haben. In den Foto-Übermalungen greift feuriges Rot ein und überwältigt im wütendem Ansturm der Farbe die sterbenden Reste einstiger Lebensspuren. Ein Video-Tape - der Monitor ist um 90 Grad gedreht und zeigt das Bild in einem dem Medium zuwiderlaufenden Hochformat - verdichtet das zeitgenössische Natur-Drama unter den zwischen Verführung und Aggression schwankenden Klängen synthetisch erzeugter Musik. Von diesem im Kasten gefangenen laufenden Klang-Bild, dessen Aufstellung auf dem Boden und in abnormer Nähe zur Wand die schleichende Gefahr unterstreicht, strahlt gewaltige Energie in den Raum. Wäre es nichts weiter als die inhaltliche Konfrontation der Motive, würde sich eine tiefere Auseinandersetzung mit Schweizers Ansatz erübrigen. Die künstlerische Bedeutung liegt in der Form, welche die Möglichkeiten der Medien – das bewegte Video-Bild, den Ton, das statische Foto und die Malerei – ausloten in der geistig und emotional aufgenommen wird, was uns bedrängt. Eine von Magers herausgegebene Edition fügt das graphische Element hinzu, daß der sterbende Wald nicht nur den Lebensnerv der pflanzlichen Natur trifft, sondern der Anfang vom Ende allen Lebens sein könnte, ist bekannt. Die Ahnung solcher Entwicklungen verdichteten schon die Romantiker in ihren verführerisch schönen Bildern. Und eben diese verfängliche Schönheit der Bildwelt ist es, die auch Schweizers gegenwärtige Auseinandersetzung auflädt. Die Gratwanderung zwischen dem Erschrecken vor dem entlaubten Gehölz, vor dem flammenden Rot, vor der aggressiven Struktur der Baumstämme auf der einen und der Verführung durch die technisch oder malerisch erzeugte Weichzeichnung der atmosphärischen Stimmung verdichtet die Zerrissenheit des Romantikers heute. C. D. Friedrichs Wanderer blickt in die Ferne. Seine Standfestigkeit auf dem Felsen ist Ausdruck der Gefährdung. Die Ferne, Ort romantischer Utopie, ist im Werk Helmut Schweizers ferner denn je. Drei Tannenstämme im Foto ragen dorthin wie Raketen des Todes und auf dem glatten abweisenden Grund des Fotos quillt das flammende Rot wie das rußige Schwarz als Zeichen eines gewaltigen Kampfes zwischen Leben und Tod. (Bis 7. 8., Händelstr.13, Di.-Fr.15-18.30 Uhr.)
Annelie Pohlen
C. D. Friedrich im sterbenden Wald
Von Neo-Romantikern sprach man in den 70er Jahren. Gemeint war die Generation der 68er, also just jene kulturellen Kräfte, die in Revolte und Utopie den Ausbruch aus der Enge des zum blanken Materialismus erstarrten Fortschrittswahns suchten. Jene, die den Romantikern fälschlicherweise den gefühlsduseligen Glauben an die heile Welt unterstellen, bleiben solche Vergleiche fremd. In welchem Maße indes die Kunst dieser Generation bis heute im Geist romantischen Denkens und Fühlens wurzelt, dafür bietet Helmut Schweizer mit seinen neuen Fotoarbeiten in der Galerie Magers einen ebenso hervorragenden wie provokanten Beweis. Nicht allein die Tatsache, daß er in seinen großformatigen Schwarz-Weiß-Fotos und den Foto-Übermalungen tatsächlich Motive des bedeutendsten Meisters deutscher Romantik, eben C. D. Friedrichs, zitiert; nein, die grundsätzliche Auseinandersetzung mit romantischem Idealismus auf der Basis gegenwärtiger Erfahrungen öffnet auf subtile Weise Türen in romantische Erlebnisräume. Der figurative, ja erzählerische Anteil in den Arbeiten ist auf einen einfachen Nenner zu bringen. Zu reden wäre von C. D. Friedrichs Menschenfiguren vor dem sterbenden Wald. In den Schwarz-Weiß-Großfotos ist es die durch technische Manipulation erzeugte „Begegnung" bekannter Figuren aus dem Werk des Romantikers mit dem entlaubten, sterbenden Rest dessen, was wir einst als den schönen deutschen Wald besungen haben. In den Foto-Übermalungen greift feuriges Rot ein und überwältigt im wütendem Ansturm der Farbe die sterbenden Reste einstiger Lebensspuren. Ein Video-Tape - der Monitor ist um 90 Grad gedreht und zeigt das Bild in einem dem Medium zuwiderlaufenden Hochformat - verdichtet das zeitgenössische Natur-Drama unter den zwischen Verführung und Aggression schwankenden Klängen synthetisch erzeugter Musik. Von diesem im Kasten gefangenen laufenden Klang-Bild, dessen Aufstellung auf dem Boden und in abnormer Nähe zur Wand die schleichende Gefahr unterstreicht, strahlt gewaltige Energie in den Raum. Wäre es nichts weiter als die inhaltliche Konfrontation der Motive, würde sich eine tiefere Auseinandersetzung mit Schweizers Ansatz erübrigen. Die künstlerische Bedeutung liegt in der Form, welche die Möglichkeiten der Medien – das bewegte Video-Bild, den Ton, das statische Foto und die Malerei – ausloten in der geistig und emotional aufgenommen wird, was uns bedrängt. Eine von Magers herausgegebene Edition fügt das graphische Element hinzu, daß der sterbende Wald nicht nur den Lebensnerv der pflanzlichen Natur trifft, sondern der Anfang vom Ende allen Lebens sein könnte, ist bekannt. Die Ahnung solcher Entwicklungen verdichteten schon die Romantiker in ihren verführerisch schönen Bildern. Und eben diese verfängliche Schönheit der Bildwelt ist es, die auch Schweizers gegenwärtige Auseinandersetzung auflädt. Die Gratwanderung zwischen dem Erschrecken vor dem entlaubten Gehölz, vor dem flammenden Rot, vor der aggressiven Struktur der Baumstämme auf der einen und der Verführung durch die technisch oder malerisch erzeugte Weichzeichnung der atmosphärischen Stimmung verdichtet die Zerrissenheit des Romantikers heute. C. D. Friedrichs Wanderer blickt in die Ferne. Seine Standfestigkeit auf dem Felsen ist Ausdruck der Gefährdung. Die Ferne, Ort romantischer Utopie, ist im Werk Helmut Schweizers ferner denn je. Drei Tannenstämme im Foto ragen dorthin wie Raketen des Todes und auf dem glatten abweisenden Grund des Fotos quillt das flammende Rot wie das rußige Schwarz als Zeichen eines gewaltigen Kampfes zwischen Leben und Tod. (Bis 7. 8., Händelstr.13, Di.-Fr.15-18.30 Uhr.)
Annelie Pohlen