Wismut • Haut & Knochen
Kunstsammlungen Gera / Otto-Dix-Haus
1999
Einzelausstellung
Installationsansichten
Thüringer Trilogie, Teil III:
>>Wismut . HAUT & KNOCHEN<<, 1995-99, Kunstsammlung Gera, Otto-Dix-Haus, 1999
....Der Begriff WISMUT ist zum Synonym für den rigorosen Uranbergbau in der DDR mit seinen gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt geworden. In der Tat haben mehr als 40 Jahre intensiven Bergbaus in Teilen Thüringens und Sachsens der Natur tiefe Narben zugeführt und das Leben der Bewohner nachhaltig beeinflusst.... Erste Schritte zum Uranbergbau auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands erfolgten unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Die Sowjetunion war nach der militärischen `Erprobung´der Atombombe durch die USA strategisch und politisch schwer unter Druck geraten. Da die Uranlagerstätten in Sibirien für die anvisierte Großproduktion eigener Kernwaffen nicht ausreichten, konzentrierte sich die Besatzungsmacht auf die Suche und Gewinnung von Rohstoffen für eine atomare Modernisierung ihrer Rüstungsindustrie....
Im Sommer 1999 vollendete Schweizer imm Geraer Geburtshaus von Otto Dix seine Thüringer Trilogie: `Drei Räume zu Episoden der Zivilisation moderner Mythen von Sterbliche, die ihre Götter vergessen haben´(Helmut Schweizer). Dabei hat er die spezifische Geschichte dreier konkreter Orte in Thüringen ausgewertet, die ihrerseits zu symbolischen Topoi geworden sind....
....Schweizer stellt sich .... mit seinem Environment `Wismut . Haut & Knochen´, einer quasi-wissenschaftlichen großräumigen Versuchsanordnung, deren ästethische Wirkungsmagie sich im Ablauf einer Vielzahl chemischer Prozesse entfaltet – und verbraucht.
In einem dunklen Raum von mäßiger Größe sind fünfzig Industriepaletten, deutlich vom rabiaten Alltagsgebrauch geprägt, zu drei Türmen bis knapp unter die Decke übereinander gestapelt. Sie bilden im Sprachgebrauch des Künstlers das `Bergwerk´- eine begehbare Skulptur im Zwiespalt von plastischer Präsenz und minimalistischer Struktur. Auf den obersten Rängen: ein ganzes Lager dickbäuchiger Rundkolben in Wartestellung, gefüllt mit einer gallertartigen Masse. In geheimnisvollem Glühgelb leuchtend. Hier fluoresziert eine Gelatine-Uranin-Lösung. Gelatine, ein mit Hilfe von Salzsäure und Kalkmilch extrahiertes und verseiftes Eiweißgemisch, wird aus organischen Abfallprodukten der Schlachthöfe gewonnen, vorzugsweise aus `Haut &Knochen´ von Rindern. Das Rohmaterial, in Sudkesseln unter ständigem Rühren eingekocht, ist in der Konsistenz dem Urstoff der Pechblende nicht unähnlich. Um auch das intensive Grüngelb des Uranminerals zu simulieren, versetzt es der Künstler mit Fluoresceinnatrium, Uranin genannt. Der ungefährliche Farbstoff findet als Indikator zum Signalisieren von Schiffbrüchen, zur Auffindung unterirdischer Wasserwege oder in der Medizin als intravenös eingespritztes Kontrastmittel Verwendung. Sein
`kaltes´Leuchten weit unterhalb der Glühtemperatur entsteht durch die Absorption von Energie in Form unsichtbarer ultravioleter Kurzwellen, die ohne Umwege als grüngelbes `Licht´wieder abgegeben wird. Die notwendige UV-Strahlung entstammt einer Anzahl von Schwarzglas-Hochdruckdampflampem, welche ihrerseits das `Labor ín samtiges Licht tauchen. Einige der Rundkolben finden mit der Öffnung nach unten ihren Platz auf mannshohen Dreibeinen, die solcherart immer wieder von neuem mit Köpfen`und `Gehirnen´ bestückt, einen anthropomorphen Charakter annehmen....Ebenso verflüssigt sich das Gel in den Kolben, wenn es aus nächster Nähe von den Schwarzglaslampen angestrahlt und zum `Glühen´gebracht wird. Es tropft mit leisem, doch stetigem Ton zu Bodenund bildet während der zweimonatigen Dauer der Ausstellung eine amorphe `Landschaft´, deren grünliche Fluoreszenz sukzessive abklingt und verhaucht. Selbst die Farbwirkung des Uranins erweist sich als vergänglich, scheint vom violetten Licht aufgesaugt zu werden...
Ulrike Lorenz, in WISMUT . HAUT & KNOCHEN
Helmut Schweizer, Kunstsammlung Gera, Otto-Dix-Haus, 1999
ISBN: 3-910051-28-6
ISBN: 3-910051-28-6
Wismut • Haut & Knochen
Kunstsammlungen Gera / Otto-Dix-Haus
1999
Einzelausstellung
Installationsansichten
Wismut. Haut & Knochen l Detail l Transportpaletten, Rundkolben, Standzylinder, Petrischalen, Glasrohre, Stopfen, Zylindergläser, Spiegelgläser, Dreifüße, Edelstahlrohre, Quecksilberdampflampen l 1998-1999
Wismut. Haut & Knochen l Detail l Mehrfachsteckdosen, Diakarusselle, Wasser, Kupfersulfat, Ammoniak, Kalilauge, Wasserstoffsuperoxyd, 3-Aminophthalhydrazid, Uranin, Schweineblut, Iris, Rosen l 1998-1999
Thüringer Trilogie, Teil III:
>>Wismut . HAUT & KNOCHEN<<, 1995-99, Kunstsammlung Gera, Otto-Dix-Haus, 1999
....Der Begriff WISMUT ist zum Synonym für den rigorosen Uranbergbau in der DDR mit seinen gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt geworden. In der Tat haben mehr als 40 Jahre intensiven Bergbaus in Teilen Thüringens und Sachsens der Natur tiefe Narben zugeführt und das Leben der Bewohner nachhaltig beeinflusst.... Erste Schritte zum Uranbergbau auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands erfolgten unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Die Sowjetunion war nach der militärischen `Erprobung´der Atombombe durch die USA strategisch und politisch schwer unter Druck geraten. Da die Uranlagerstätten in Sibirien für die anvisierte Großproduktion eigener Kernwaffen nicht ausreichten, konzentrierte sich die Besatzungsmacht auf die Suche und Gewinnung von Rohstoffen für eine atomare Modernisierung ihrer Rüstungsindustrie....
Im Sommer 1999 vollendete Schweizer imm Geraer Geburtshaus von Otto Dix seine Thüringer Trilogie: `Drei Räume zu Episoden der Zivilisation moderner Mythen von Sterbliche, die ihre Götter vergessen haben´(Helmut Schweizer). Dabei hat er die spezifische Geschichte dreier konkreter Orte in Thüringen ausgewertet, die ihrerseits zu symbolischen Topoi geworden sind....
....Schweizer stellt sich .... mit seinem Environment `Wismut . Haut & Knochen´, einer quasi-wissenschaftlichen großräumigen Versuchsanordnung, deren ästethische Wirkungsmagie sich im Ablauf einer Vielzahl chemischer Prozesse entfaltet – und verbraucht.
In einem dunklen Raum von mäßiger Größe sind fünfzig Industriepaletten, deutlich vom rabiaten Alltagsgebrauch geprägt, zu drei Türmen bis knapp unter die Decke übereinander gestapelt. Sie bilden im Sprachgebrauch des Künstlers das `Bergwerk´- eine begehbare Skulptur im Zwiespalt von plastischer Präsenz und minimalistischer Struktur. Auf den obersten Rängen: ein ganzes Lager dickbäuchiger Rundkolben in Wartestellung, gefüllt mit einer gallertartigen Masse. In geheimnisvollem Glühgelb leuchtend. Hier fluoresziert eine Gelatine-Uranin-Lösung. Gelatine, ein mit Hilfe von Salzsäure und Kalkmilch extrahiertes und verseiftes Eiweißgemisch, wird aus organischen Abfallprodukten der Schlachthöfe gewonnen, vorzugsweise aus `Haut &Knochen´ von Rindern. Das Rohmaterial, in Sudkesseln unter ständigem Rühren eingekocht, ist in der Konsistenz dem Urstoff der Pechblende nicht unähnlich. Um auch das intensive Grüngelb des Uranminerals zu simulieren, versetzt es der Künstler mit Fluoresceinnatrium, Uranin genannt. Der ungefährliche Farbstoff findet als Indikator zum Signalisieren von Schiffbrüchen, zur Auffindung unterirdischer Wasserwege oder in der Medizin als intravenös eingespritztes Kontrastmittel Verwendung. Sein
`kaltes´Leuchten weit unterhalb der Glühtemperatur entsteht durch die Absorption von Energie in Form unsichtbarer ultravioleter Kurzwellen, die ohne Umwege als grüngelbes `Licht´wieder abgegeben wird. Die notwendige UV-Strahlung entstammt einer Anzahl von Schwarzglas-Hochdruckdampflampem, welche ihrerseits das `Labor ín samtiges Licht tauchen. Einige der Rundkolben finden mit der Öffnung nach unten ihren Platz auf mannshohen Dreibeinen, die solcherart immer wieder von neuem mit Köpfen`und `Gehirnen´ bestückt, einen anthropomorphen Charakter annehmen....Ebenso verflüssigt sich das Gel in den Kolben, wenn es aus nächster Nähe von den Schwarzglaslampen angestrahlt und zum `Glühen´gebracht wird. Es tropft mit leisem, doch stetigem Ton zu Bodenund bildet während der zweimonatigen Dauer der Ausstellung eine amorphe `Landschaft´, deren grünliche Fluoreszenz sukzessive abklingt und verhaucht. Selbst die Farbwirkung des Uranins erweist sich als vergänglich, scheint vom violetten Licht aufgesaugt zu werden...
Ulrike Lorenz, in WISMUT . HAUT & KNOCHEN
Helmut Schweizer, Kunstsammlung Gera, Otto-Dix-Haus, 1999
ISBN: 3-910051-28-6
ISBN: 3-910051-28-6